Fallstudie: Was die Finanzbranche von Apple Stores lernen kann

Apple hat in den vergangenen Jahren unglaubliche Wachstumsraten verzeichnet. Ein Apple-Store in den Staaten hat durchschnittlich 80.000 Besucher im Monat. Auf die Ladenfläche gerechnet, erzielt das Unternehmen einen Umsatz von US$ 50.000 pro m2. Hinzu kommt der Online-Verkauf in 39 Ländern.[1]

Derzeit betreibt Apple über 500 Niederlassungen in 20 Ländern, die zusammengerechnet auf 365 Millionen Personen im Jahr kommen. „Umgerechnet auf Bankarbeitstage entspricht dies einem Durchschnitt von täglich 3.650 Besuchen pro Standort. Werte, von denen Banken nur träumen können. Den letzten Massenandrang in Bankfilialen gab es im Jahr 2002, als Kunden ein Euro-Starterset ergattern wollten…“[2], so Hansjörg Leichsenring vom Bank Blog

Während die Filiale stetig an Bedeutung verliert, nehmen Stores digitaler Riesen wie Apple (oder auch Amazon) eine zentrale Rolle im Konsumverhalten digital-affiner Kund:innen ein. Dabei sind die Produkte alle auch online erhältlich. Was also ist es, was diese Unternehmen über ihre Online-Präsenz hinaus so erfolgreich macht? In einem Blogbeitrag stellt Der Bank Blog-Herausgeber Dr. Hansjörg Leichsenring die acht wichtigsten Erfolgsfaktoren von Apple-Stores vor, von denen Finanzunternehmen mit Filialnetz lernen könnten. [3]

  1. Die Lage: hochfrequentiert und leicht erreichbar. Apple-Stores befinden sich immer in den besten Innenstadtlagen bzw. innerhalb hochfrequentierter Einkaufszentren oder Bahnhöfe. Das bedeutet: Sie können schnell erreicht und gut gefunden werden. Auch Sparkassen und Volksbanken im ländlichen Raum hätten meist gute Einkaufslagen zur Verfügung — was jedoch häufig mit einer Verlegung und einhergehenden Investitionen verbunden ist. Eine Überprüfung oder Korrektur des Standorts kann die Zukunftsfähigkeit der Bank fördern.
  2. Das Design: Kundenerfahrung vor Architektur. Apple-Stores beeindrucken bereits von außen mit großen Glasfronten. Innen setzt sich das stylisch-elegante und funktionelle Design fort. Damit verbindet Apple Lifestyle und Atmosphäre und rückt die Customer Experience (das Kundenerlebnis) in den Fokus. Inszeniert werden nicht die Produkte, sondern der Mehrwert für den Kunden, die diese bringen. Banken hingegen wirken oft steril und stellen Technik und Architektur vor das Kundenerlebnis.
  3. Das Outfit der Angestellten: Einheit statt Selbstverwirklichung. Apple Mitarbeiter:innen sind grundsätzlich sofort an ihrer einheitlichen Kleidung erkennbar. Auch wird kein Schalter oder Schreibtisch benötigt, um sie als Mitarbeiter:innen auszumachen. Sie bewegen sich frei im Raum und gehen proaktiv auf Kund:innen zu.
  4. Die Kundenbindung: Beratung mit Mehrwert; einfach und unkompliziert. Gemäß Steve Jobs’ Grundsatz „Enriching lives“ (Leben bereichern) sind Apple-Mitarbeiter:innen dazu angehalten, Kund:innen (über den Kauf hinaus) möglichst leicht und unkompliziert die Hilfe zu bieten, die sie suchen. An der Genius Bar werden täglich 95.000 Kund:innen beraten. Darüber hinaus werden Workshops zur richtigen Nutzung der Produkte und Anwendungen angeboten. Wie viele Finanzunternehmen bieten regelmäßig Trainings oder Workshops zum Thema private Geldanlage oder finanzielle Unabhängigkeit? Und wie viele beschweren sich im Vergleich dazu lieber über Wissenslücken der Bevölkerung im Finanzbereich?
  5. Kein Verkaufsdruck: Beratung nach Bedarf und Budget. Geräte, die im Apple-Store bereitgestellt werden, können von Kund:innen beliebig getestet werden, denn: es werden Lösungen angeboten, nicht einfach Produkte (Siehe Punkt 2). Um die bestmögliche Beratung für die Kund:innen sicherzustellen, wird auf eine Verkaufsprovision für Mitarbeiter:innen verzichtet. Zusätzlich können Kund:innen Produkte online bestellen und im Store abholen. Ein Ansatz, der auch für Multikanal-Institute interessant sein könnte und interne Konkurrenz der Vertriebswege verhindert. (Nach diesem Ansatz sollte Kund:innen die Möglichkeit geboten werden, nicht aber sollten sie in  die Filialen gezwungen werden!)
  6. Die hohe Transparenz: Gleiche Preispolitik für Neu- und Bestandskunden. Apple Produkte sind teuer. Aber sie sind auch preis-transparent und umfassen ein 14-tägiges Rückgaberecht — ganz gleich, ob es sich um eine Neu- oder Bestandskund:innen handelt. Finanzberater:innen auf der anderen Seite bieten ihren Kund:innen Produkte (und Girokonten) meist so intransparent, willkürlich und vor allem zu verschiedenen Preisen an, dass die Kund:innen das Gefühl entwickeln können, über den Tisch gezogen zu werden. Versteckte Kosten, Zusatzgebühren und ungleiche Behandlung treiben Kund:innen letztlich zu Online-Vergleichsportalen oder direkt zur transparenteren Direktbank.
  7. Die Club-Mitgliedschaft: Die Kund:innen als Werbeträger:innen bzw. Brand Ambassador? Wo Finanzunternehmen den Kund:innen gerne Schwarz-weiß-Kopien in Klarsichtfolien mitgeben, erhalten Apple-Kund:innen beim Erwerb eines Produktes eine stabile, stylische Tüte mit dem Apple-Logo und werden somit automatisch zum Werbeträger. Das haptische Erlebnis und das damit einhergehende emotionale Element geht Finanzunternehmen hier verloren und wird sogar ins Negative umgekehrt.
  8. Die überragende Kompetenz und Freundlichkeit der Angestellten. Die Mitarbeiter:innen bilden das Rückgrat des Apple Stores wie auch der Bankfiliale. Damit sie mit ihrer (orchestrierten) Höflichkeit, Kompetenz und Begeisterung für die Marke auch die Kund:innen überzeugen können, setzt Apple auf kontinuierliche Ausbildung und Training. Ziel ist es, eine „magische Erfahrung“ bei den Kund:innen zu hinterlassen. Dafür hat Apple ein Fünf Service-Schritte-Akronym entwickelt, das sich Angestellte besonders leicht merken können:[4]

A: „Approach customers with a personalized, warm welcome“ — Gehen Sie auf Kund:innen mit einer persönlichen, warmherzigen Begrüßung zu.
P: „Probe politely to understand all the customer’s needs“ — Versuchen Sie höflich, alle Bedürfnisse Ihrer Kund:in zu verstehen.
P: „Present a solution for the customer to take home today“ — Bieten Sie eine Lösung, die der/die Kund:in heute mit nach Hause nehmen kann.
L: „Listen for and resolve any issues or concerns“ — Hören Sie genau zu und lösen Sie alle Bedenken und Fragen.
E: „End with a fond farewell and an invitation to return“ — Verabschieden Sie sich freundlich und laden Sie zu einem erneuten Besuch ein.


Beitragsbild: Hussam Abd on Unsplash

[1] Vgl. Leichsenring (2018)

[2] Leichsenring (2018)

[3] Quelle für die folgenden 8 Erfolgsfaktoren: Leichsenring (2018)

[4] Vgl. Inkl Zitate Callo (2012)


Callo, C. (2012): Apple Store’s Secret Sauce: 5 Steps of Service. In: Forbes, 12.05.2012, https://www.forbes.com/sites/carminegallo/2012/05/16/apple-stores-secret-sauce-5-steps-of-service-video/#75240c042bb7

Leichsenring, H. (2018): Was Banken und Sparkassen von Apple-Stores lernen können, in Fonds professionell Online (14.09.2017), http://www.fondsprofessionell.de/news/unternehmen/headline/was-banken-und-sparkassen-von-apple-stores-lernen-koennen-136977/ 

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