Eine FinTech-Bank, die sich speziell auf Freiberufler und Unternehmer spezialisiert hat, ist die finnische Bank Holvi. „Holvi hat die mühsamen Seiten des Unternehmerdaseins erkannt und fast vollständig automatisiert.“[1] Auf ihrer Geschäftskunden-Seite wirbt die Bank: „Das All-in-one-Konto, das Banking, Rechnungserstellung und papierlose Buchhaltung zusammenbringt. Mit Holvi kannst du dich wieder auf Wichtiges konzentrieren. (…) Das Holvi Geschäftskonto integriert nahtlos die Holvi Rechnungserstellung und den Online-Shop. Noch nie war es so einfach, Geld auf deinem Konto zu empfangen! Die Integration ermöglicht dir außerdem, alles über die gleiche Benutzeroberfläche wie dein Geschäftskonto zu bedienen. (…) Dein Holvi Konto macht den Überblick und die Steuerung deiner Ausgaben durch die Holvi Business Mastercard und die Smartphone-App zum Vergnügen! Wenn du deine Ausgaben ab sofort mit unserer Zahlungskarte abwickelst, weisen dich Push-Benachrichtigungen auf deinem Smartphone direkt darauf hin, der Ausgabe ein Foto des Belegs digital hinzuzufügen. Somit ist deine Buchhaltung immer auf dem aktuellsten Stand und du kannst den Beleg wegwerfen.“ [2] Zudem unterstützt das FinTech Kund:innen bei der „Archivierung der Originalbelege und (der) richtige(n) Kategorisierung der Transaktion in das korrekte Buchhaltungs-Konto, inklusive des entsprechenden Umsatzsteuer-Betrags“[3]. Damit spricht die Bank genau die Kundenbedürfnisse der Zielgruppe an und auch die Preismodelle werden transparent und ohne Kleingedrucktes auf der Seite für jeden ersichtlich dargestellt.[4]
Im ‚Finterview‘ mit dem IT Finanzmagazin-Redakteur Boris Janek erklärt Holvi-Bank Co-Founder Tuomas Toivonen die Grundidee, das Geschäftsmodell der Holvi Payment Services Oy (nachfolgend Holvi-Bank genannt) und geht auf die größten Herausforderungen und Möglichkeiten ein, die das FinTech derzeit beschäftigen. Demnach versteht sich die Holvi-Bank als neuartiges Business-Banking-Modell, das sich den vielfältigen Herausforderungen stellt, die Freelancer:innen, Selbstständige und Kleinunternehmer:innen heutzutage zu bewältigen haben. Ausgerechnet der Finanzdienstleistungssektor stellt diese Berufsgruppen vor einen oftmals sehr umfangreichen Verwaltungsaufwand, der kostbare Zeit kostet, die sinnvoller in die Kerntätigkeit des Unternehmens gesteckt werden könnte. Anders als Privatkund:innen, mittelständische Unternehmen und Konzerne werden Kleinunternehmen, Selbstständige und Freelancer:innen von den herkömmlichen Banken häufig nicht optimal betreut.[5]
„Holvi konzentriert sich darauf, etwas zu entwickeln, das man als kontextuelles Banking bezeichnen könnte – ein maßgeschneiderter Service für Freelancer, Selbstständige und Kleinunternehmer, der es ihnen ermöglicht,
-Tuomas Toivonen, Co-Founder Holvi Payment Services Oy
das Produkt für ihre spezifischen Bedürfnisse zu nutzen.“[6]
Die Idee, eine Bank speziell für Freelancer:innen und Entrepreneure zu gründen, wurde von dem Serien-Gründer, Entrepreneur und Technologie-Visionär Tuomas Toivonen geboren, nachdem er aus eigenen Erfahrungen diese Servicelücke erkennen musste. Anstatt sich allerdings damit abzufinden, hat sich Herr Toivonen aufgemacht, ein agiles Business-Banking-Konzept aufzustellen, welches das Potenzial hat, die gesamte Branche aufzurütteln: Durch die Verbindung von Business- und Bankingdienstleistungen soll für die Kund:innen der administrative Aufwand im Tagesgeschäft deutlich reduziert und ihnen somit neue Freiräume und Kapazitäten für ihr Kerngeschäft geschaffen werden. Die Holvi-Bank bündelt dabei alle Dienstleistungen im Bankingumfeld der Kund:innen, von der Rechnungsstellung, der Onlineshop-Verwaltung bis zum Echtzeit-Reporting sowie die Vorbereitung der papierlosen Buchhaltung als Rundumpaket in einem digitalen und vollkommen papierlosen Serviceangebot. Die eigentliche Buchhaltung ist dabei nicht mit eingeschlossen, sie bleibt bei den Kund:innen. Das digitale Geschäftskonto bei der Holvi-Bank bringt die unternehmerischen Tools zum Geldeinnehmen und für das Ausgabenmanagement zusammen in einem kompletten Serviceangebot.[7]
Auch das Holvi-Team spiegelt den Fokus auf Unternehmertum wider. Viele Mitarbeiter von Holvi sind ehemalige Kleinunternehmer und Selbstständige. Sie verstehen die Herausforderungen ihres Berufstands und sind persönlich daran interessiert, Lösungen zu entwickeln für Probleme, mit denen sie selbst zu kämpfen hatten. Hier spielt die eigene berufliche Erfahrung der Gründer und Mitarbeiter eine zentrale Rolle, da sie die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe kennen. Diese besondere Kundennähe wird als starker Wettbewerbsvorteil verstanden, der durch eine Produktentwicklung nah an den Kund:innen und das Einbeziehen von Kundenfeedback in die Optimierung des Angebots im Unternehmen gelebt wird.[8]
Auch die nach verschiedenen Kernfunktionen getrennte Organisationsstruktur der Holvi-Bank zielt darauf ab, Innovationen voranzubringen. Mitarbeiter verbringen nur etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit in ihren Fachbereichen, aufgegliedert in Produkt und Design, Technical Operations, Software Engineering, Business Development, Marketing und Kommunikation, Finance und Legal sowie Customer Success und Operations und Control. Die andere Hälfte verbringen sie in fachbereichsübergreifenden Teams, um Produktentwicklungen voranzutreiben.[9]
Dass der Bedarf für derartige Dienstleistungen im Markt enorm ist, beweist die schnell ansteigende Nachfrage. Gleichzeitig bedient Holvi mit seiner Leistung eine Zielgruppe mit starkem Wachstumspotenzial: In Zeiten von Outsourcing und digitalen Arbeitsmodellen werden freiberufliche und selbstständige Tätigkeiten immer selbstverständlicher. Ein integriertes Business- und Banking-Modell, das sich maßgeschneidert auf diese neue Arbeitswelten einstellt und sich mit ihren Bedürfnissen befasst, scheint da nur logisch.[10]
Holvi wurde in der Startphase von privaten Investoren und dem finnischen Publikumsfonds Tekes finanziert. Zusätzlich wurde Startkapital vom Venture Capital Unternehmen Speedinvest aus Österreich aufgenommen. Im Jahr 2016 wurde das Unternehmen von der spanischen Bankengruppe BBVA übernommen. Es gehört seitdem zur neuen Digital-Business-Unit der Bank. Mit der ambitionierten Zielsetzung, Europas führender Anbieter im dienstleistungsgestützten Banking für die Zielgruppe der Selbstständigen und Kleinunternehmen zu werden, hat sich die Holvi im Markt nicht gerade leise angekündigt. Eine wesentliche Hürde ist bereits überwunden: Die Holvi-Bank verfügt über eine eigene Betriebsgenehmigung, mit der sie, ohne weitere Lizenzen beantragen zu müssen, in Europa expandieren kann.[11]
Eine der größten Herausforderungen ist nach Eigenangaben nicht, wie zu erwarten, der Druck durch traditionelle Bankhäuser, sondern das teils chaotische Selbstmanagement der Kund:innen: Gerade bei Freelancern und Kleinunternehmern ist es nicht unüblich, private und geschäftliche Finanzaktivitäten zu vermischen. Auch setzt das Modell der Holvi einen Mindestgrad an Digitalisierung der Kund:innen voraus, der etwa in Deutschland nicht immer erreicht ist. Im Gegenteil ist die Unternehmerlandschaft hinsichtlich der Verwaltung ihrer Finanzen noch geprägt von einfacher Dokumentation in Worddateien, endlosen Excel-Tabellen oder gar Schuhkartonsammlungen voll Papierbelege.[12]
Beitragsbild: Screenshot holvi.com (13.07.2021)
[1] Pampel (2016)
[2] Holvi (2018)
[3] Holvi (2018)
[4] Vgl. Holvi (2018)
[5] Vgl. Janek (2018)
[6] Toivonen, zitiert in: Janek (2018)
[7] Vgl. Janek (2018)
[8] Vgl. Janek (2018)
[9] Vgl. Janek (2018)
[10] Vgl. Janek (2018)
[11] Vgl. Janek (2018)
[12] Vgl. Janek (2018)
Holvi (2018): Geschäftskonto, https://about.holvi.com/de/produkte/geschaeftskonto/
Janek, B. (2018): Holvi, Tuomas Toivonen: „Wir entwickeln etwas, das man als kontextuelles Banking bezeichnen könnte“. In: IT Finanzmagazin, 04.10.2018, https://www.it-finanzmagazin.de/kontextuelles-banking-toivonen-holvi-78584/
Pampel, B. (2016): Fintech-Banken: die kleinen Alternativen zu Großbanken? in: UTOPIA (17.08.2016), https://utopia.de/ratgeber/fintech-banken/