Vorwort: Die Finanzbranche befindet sich im Umbruch

Als die Branche vor über zwanzig Jahren damit begann, das elektronische Finanzgeschäft für ihre Kundschaft einzuführen, leisteten sie Pionierarbeit in den Anfängen dessen, was wir Digitalisierung nennen. Heute kämpfen viele dieser Finanzinstitute um ihre Zukunftsberechtigung, während sie sich von allen Seiten mit Herausforderungen konfrontiert sehen: Steigender Wettbewerb, sinkende Erträge, steigende Kosten, veraltete Geschäftsmodelle und komplexe regulatorische Anforderungen setzen der Finanzbranche enorm zu. Der scheinbar chronische Niedrigzins und verschärfte Regulierungen setzen vor allem Banken und Versicherungen ordentlich zu und sorgen mehr denn je für Kostendruck. Die Vermutung ist daher naheliegend, dass zinstragende Geschäfte auch in naher Zukunft keine hohen Erträge abwerfen werden.

Die seit Jahrzehnten profitablen Produkte und Dienstleistungen stehen nun im Wettbewerb zu einfachen, kostengünstigen und schnörkellosen Lösungen von digital-affinen Start-ups aus dem Finanzbereich. Nach meiner Einschätzung kann dies nur zu einer zusätzlichen Fokussierung auf das Private Banking-Geschäft führen. Und damit zu zusätzlichem Wettbewerb. Gleichzeitig fordern Kund:innen immer mehr Transparenz und werteorientierte Produkte und Dienstleistungen. Zudem ist das in der Finanzkrise verlorene Vertrauen der Kund:innen in Finanzdienstleister und -produkte noch immer nicht komplett wiederhergestellt und die in der Vergangenheit zelebrierte Intransparenz wird nicht länger akzeptiert.

Jetzt stehen die Finanzinstitute unter digitalem Zugzwang. Sie sind an der Reihe nachzuziehen — oder still unterzugehen. Kaum ein Begriff ist so beschreibend für das, womit sich der deutsche Finanzsektor derzeit konfrontiert sieht, wie der Terminus ‚Zugzwang‘. Ursprünglich aus der Schachterminologie kommend beschreibt er eine Situation, bei der der/die Spieler:in die eigene Situation mit dem nächsten Zug nur verschlechtern kann. Mit der Digitalen Transformation verhält es sich ähnlich. Vor jedem Digitalisierungsvorhaben und jeder Entscheidung dürfen Sie sich fragen: Handelt es sich hierbei wirklich um einen sinnvollen Zug? Oder drängen Ihre Konkurrent:innen, Ihre Aktionär:innen und/oder Ihr Ego Sie zu einem Zug, der Sie letztlich ins Abseits drängen wird? Es gibt kein Aussetzen im Schach, so dass der Zugzwang eine sehr raffinierte Art ist, das Spiel zu gewinnen. Doch anders als beim Schach gilt in der Finanzbranche: Sie haben immer eine Wahl.

Seit einigen Jahren setze ich mich nun schon intensiv mit der Digitalisierung im Finanzbereich auseinandergesetzt. Dabei habe ich beobachtet, wie Prozesse vorschnell — d.h. sinnfrei, nicht-zielführend und ohne sichtbaren Mehrwert — automatisiert werden, während wesentliche menschliche Elemente der Vermögensanlage sowie die Hyperkomplexität der digitalen Welt außer Acht gelassen werden. Ich prognostiziere daher, dass die Zukunft der Vermögensberatung und -verwaltung nur in hybriden Lösungsansätzen liegen kann.

Besonders großes Potenzial schreibe ich dabei der Bionik zu, einer Philosophie und Methodik, bei der die Natur als Inspiration für Technologie und Prozesse dient. Denn: Kein Mensch ist in der Lage, komplexe Ökosysteme agiler zu orchestrieren oder schneller auf Veränderungen zu reagieren, als die Natur. Auf diesem Prinzip beruhen auch die Bionic Advisory und das Bionic Wealth Management, eine hybride Form der Vermögensanlageberatung und -verwaltung, die sich aktuell in unterschiedlichen Teilen der Welt entwickelt, in Deutschland aber leider noch so gut wie keine Aufmerksamkeit genießt. Bis jetzt.

Sie hatten nie so viele Möglichkeiten wie heute! Wie Sie im Verlauf dieser systematischen Meta-Studie erfahren werden, stehen aufgeschlossenen Finanzunternehmen im digitalen Zeitalter eine Fülle von Möglichkeiten zur Verfügung, neue Ertragsquellen zu erschließen, Kosten zu senken, die Servicequalität zu verbessern und die Kundenbindung zu stärken. In den folgenden Kapiteln habe ich einige der wichtigsten Trends und größten Herausforderungen im Markt für Sie zusammengetragen. Darüber hinaus stelle ich Ihnen die vielversprechendsten bionischen Ansätze und Handlungsmöglichkeiten vor, die ich zum heutigen Zeitpunkt identifiziere.

Um den Anschluss nicht zu verlieren und gestärkt aus der (zweiten) digitalen Finanzrevolution hervorzugehen, sind allerdings nicht nur Know-How, sondern auch starkes Engagement, unbedingtes Commitment, ein hohes Level an Digitalität und neue Organisations- und Leadershipmodelle gefragt. Ihren persönlichen Einsatz kann ich nicht beeinflussen, aber ich kann Ihnen zu mehr Digitalität verhelfen. Genauer gesagt betrachte ich es sogar als meine Pflicht, die digitale Mündigkeit zu fördern, wichtige Impulse zu geben und mein umfangreiches Wissen über die Digitale (R)Evolution — bzw. die bionisch-digitale Bewegung — transparent und verständlich zu teilen.

Gleichzeitig möchte ich an Ihre Verantwortung als Leiter:in und Lenker:in plädieren, dieses Wissen im Sinne des gesellschaftlichen Wohls voll auszuschöpfen. Ich kann das Bionic Wealth-Konzept vordenken. Doch die Hebelwirkung der Entscheidungskraft liegt in Ihren Händen. Eines gleich vorab: Das Potenzial ist für alle gleich! Aber nicht jede/r ist gleich gewillt, es zu ergreifen. Beharren Sie auf Ihre digitale Mündigkeit. Haben Sie Mut. Haben Sie Hoffnung. Und vor allem: Haben Sie Vertrauen in sich und Ihr Team. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

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